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Mangelnde Wertschätzung für Faule Säcke?!

Ein Grund für die gesundheitliche Belastung der Lehrer liegt in zu wenig Achtung und mangelnde Wertschätzung ihres Berufs. Kaum eine andere Berufsgruppe ist von psychosomatischen Erkrankungen so sehr betroffen wie die der Lehrer. Ein großer Teil der Lehrer*innen zeigt 

mehrmals während ihres Berufsleben Anzeichen von depressiven Verstimmungen oder echten Depressionen. Burn-Out-Syndrome häufen sich, insbesondere die Zahl der Alkoholerkrankungen ist besorgniserregend.

Warum eigentlich?

Es müßte uns doch gut gehen. Es stehen uns ca. 65 Urlaubstage im Jahr zu, was mehr als doppelt soviel Ferien ergibt, wie für die meisten Arbeitnehmer. Unsere Gehälter sind überdurchschnittlich, da wir keinen Acht-Stunden-Tag arbeiten. Unsere Arbeit ist leicht, da wir Jahr für Jahr unsere Unterrichtsinhalte wiederholen. Nach einigen Berufsjahren benötigen wir außerdem keine Zeit mehr für die Vorbereitung des Unterrichts. Um nur die drei verbreitetsten Meinungen über den Lehrerberuf zu nennen. Natürlich gibt es Kolleginnen und Kollegen, die genauso arbeiten.  Aber diese Lehrer bilden keinesfalls die Mehrheit – bei weitem nicht.

Gratifikationskrise: Mangelnde Wertschätzung und zu wenig Achtung

Der Sozialmediziner Johannes Siegrist hat für dieses Modell der Krankheitsentstehung den Begriff der „Gratifikationskrise“ geschaffen. Er geht davon aus, dass ein Mensch erkranken kann, wenn er sich stark engagiert und dafür wenig Anerkennung bekommt. Leiden Lehrer also unter einer Gratifikationskrise? Und ist diese mangelnde Wertschätzung die Ursache für den hohen Krankenstand im Lehrerberuf? Schauen wir also auf die Faktoren, die sich als gesundheitsrelevant erweisen könnten: Schüler und ihre Eltern, Kollegen und alle anderen.

Meinungsbildung: Jeder kennt mindestens einen Lehrer ; )

Hier wäre zunächst der mangelnde gesamtgesellschaftliche Respekt vor dem Beruf des Lehrers zu nennen. Während noch vor hundert Jahren der Arzt, der Pfarrer und der Lehrer den Mittelpunkt des Ortes bildeten, spielt der einzige Mediziner heutzutage allenfalls noch Räuberskat. Die Gründe hierfür liegen z.B. in der Wahrnehmung der Lehrer als „Faule Säcke“ (Zitat Alt-Kanzler Schröder). Natürlich machen sich Lehrer auch dadurch verdächtig, dass sie die Kritikfähigkeit der künftigen Konsumenten stärken und versuchen, Verantwortung und Selbstbestimmung zu vermitteln. Eine Wirtschaft, die keine kritischen Konsumenten wünscht, wird ihren Kritikern gegenüber nicht dankbar sein. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass die oben bereits zitierte Unverschämtheit Gerhard Schröders zu einem Zeitpunkt geäußert wurde, als der Neoliberalismus aus der Taufe gehoben wurde – doch das nur nebenbei.

Mangelnde Wertschätzung von Schülern und deren Familien

Zum zweiten wäre der mangelnde Respekt der Schüler und der Familien zu nennen. Dieser basiert z.B. auf schlechten Erfahrungen während der eigenen Schulzeit. Durch den Zerfall klassischer Familienmodelle wird der Lehrer außerdem zu einem gemeinsamen Feind, der die wenige Zeit, die die Berufstätigkeit den Familien noch läßt, durch Hausaufgaben weiter verkürzt. Das Phänomen der computerspielenden Erwachsenen führt zu einer weiteren problematischen Fehlentwicklung: die Eltern werden nicht als erziehende Autoritätspersonen erlebt, sondern als kindliche Mitspieler, die sich schulischen Verpflichtungen gegenüber ähnlich ablehnend verhalten wie ihre Kinder. Die Lehrperson wird dann als Spaßbremse der gesamten Familie wahrgenommen, gegen die man sich zur Wehr setzt. Respekt und Dankbarkeit ist in diesem Fall ebenfalls nicht zu erwarten.

Wenig Solidarität unter Lehrern.

Des weiteren sprechen Lehrer Probleme, die sich aus der Unterrichtstätigkeit ergeben, untereinander nicht offen und ehrlich an. Zwar sind die Befindlichkeiten der Schüler in einem durchschnittlichen Lehrerzimmer der Hauptgesprächsstoff. Doch das eigene Befinden wird vor den Kollegen verborgen gehalten – besonders, wenn es einmal nicht so gut läuft. Der Lehrberuf scheint es zu erfordern, sich vor Schülern und Eltern keine Blöße geben zu dürfen. Und dieses Verhalten wird auch vor den Kollegen fortgesetzt. Tatsächlich scheinen Lehrer untereinander in einem ständigen Wettbewerb um das zäheste Nervenkostüm zu liegen. Der Respekt gegenüber den Leistungen des Anderen ist dann ebenfalls nicht in ausreichendem Maße zu erwarten.

Faule Säcke und fleißige Bienchen

Wer also beständig aufgefordert wird, sich für seine Arbeitsleistung, sein Entgelt und seine Freizeit zu rechtfertigen, wer beständig und von jedermann – ob qualifiziert oder nicht – für seine Arbeit kritisiert wird, wer von denjenigen, um deren Wohl er den Beruf ergriffen hat, körperlich oder verbal attackiert oder bestenfalls ignoriert wird, kann nicht nur keine dauerhafte Freude an seiner Tätigkeit empfinden, sondern setzt sich über kurz oder lang somatisch gegen die beständig auf ihn einwirkenden Stressoren zur Wehr. 

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